Guillaume de Machault

um 1300 - 1377

Aus Livre du Voir Dit

Eine der herausragenden Figuren der Musikgeschichte, über die - nicht unüblich für die Ära, aus der er stammte - allzu wenig Gesichertes bekannt ist.

Guillaume de Machault starb als Canonicus an Notre Dame in Reims. Was wir sonst über ihn wissen, stammt aus einigen päpstlichen Bullen, und schriftlichen Anmerkungen in Archiven (vor allem in Reims), die Passagen im literarischen und musikalischen Werk nicht zu vergessen, in denen Machault sich dem Brauch der Zeit entsprechend, selbst verewigt hat.

Kriegerische Zeiten

Gut ausgebildet, stieß der »Magister Guillaume« zum Stab des Königs Johann von Böhmen und wurde bald dessen Sekretär (ab 1323).

Im Gefolge des kriegerischen Königs und Philipps VI. von Frankreich zog Machault durch die Lande und lernte auf diese Weise halb Europa kennen. Prag, Luxemburg und Paris kannte er nachweislich, in Schlesien erlebte er die Einnahme von Breslau (1327). Er war in Litauen (1328) und Königsberg, Anfang der Dreißigerjahre auch in Ungarn und Österreich, vielleicht sogar Italien, sicher im Languedoc.

Reiche Pfründe

Für seine Dienste, die jedenfalls in großem Umfang auch der künstlerischen Unterhaltung der hohen Herren gedient hat, wurde Machault mit etlichen Pfründen reich beschenkt, von denen er die Einkünfte genoß. Er konnte sich mit seinem Bruder dann als aktiver Canonicus nach Reims zurückziehen.

Das Leben dieses Mannes müssen wir uns als aufreibendes Dasein im Wechsel von Krieg und adeliger Erbauung denken, eine seelische Doppelmühle, deren Spuren sich in manchen Details im Schaffen Machaults finden.

Ruhveolles Finale

Was sich davon erhalten hat, gehört großteils der Zeit seiner Seßhaftigkeit in Reims an. Machault war der ständigen Kriegshändel und des Intrigenspiels bei Hofe müde. Zwar war er Favorit Bonnes von Luxemburg, der Gattin des Dauphin, erfreute sich zeitweilig der Gunst Karls des Bösen, zog sich aber für das letzte Vierteljahrhundert seines langen Lebens zurück.

Lange hatte er politische Streitschriften verfaßt und dazu die entsprechenden Lieder gesungen. Während der Pest in den Vierzigerjahren dichtete er in seinem Jugement du Roi de Navarredas das antisemitische Lied von den »Brunnenvergiftern« und das Lob der »gerechten« Vergeltung.

Liebhaber schöner Damen

Vor allem aber verrät uns seine Poesie, daß er zeitlebens auch ein Verehrer der schönen Frauen war - noch im für damalige Verhältnisse methusalemischen Alter - er war um die 60 - ging er eine Beziehung mit der blutjungen Péronne d'Armentières ein, eine Amour fou, der wir einen veritablen Liebesroman Le livre du voir dit verdanken, in den auch Machaults künstlerischer Werdegang einfließt.

Später Troubadour

In diesem Sinne war Machault einer der letzten großen Vertreter der Troubadours und Minnesänger, schuf aber mit seinen Balladen und Rondeaus zukunftsweisende Lyrik, deren Vertonungen zu Initialzündungen für die Entwicklungen des folgenden Jahrhunderts in der Musikgeschichte wurden.

Die Kunstfertigkeit Machaults, der zu den Vorreitern der Herausbildung einer »melodischen« Oberstimme zählt, ist immens. Von seiner kontrapunktischen Meisterschaft künden Konstruktionen wie jene Ballade XVII, in der sich drei kanonisch geführte Stimmen auf drei verschiedene Texte vereinen, ein Verwirrspiel, das durch einen gleichbleibenden Refrain gegliedert wird.

Richtungsweisend sind Machaults Motetten, allesamt über gregorianische Melodien (im Tenor) kunstvoll arrangiert - oft zweisprachig mit lateinischem Text als »Cantus firmus« und französischen Gegenstimmen.

Von den geistlichen Kompositionen ist die vierstimmige, im Stil der Motetten geschriebene Messe de Nostre Dame am berühmtesten geworden. Nur eine vierstimmige Vertonung des Mess-Ordinariums (aus Tournai) ist historisch etwas früher anzusiedeln, stammt aber vermutlich von verschiedenen Komponisten.

Es wird spekuliert, daß bei jenen Passagen in Machaults Werken, die nicht textiert sind, Instrumente zum Einsatz kamen.

Machaults Musik zählt auch zu den frühesten Beispielen für das Auftreten harmonischer Experimente mit Zusammenklängen und Kadenzformeln, die später zur Ausprägung der Dur- Moll-Tonalität führten.

Historische Bedeutung

Die Musik Machaults ist durch die rasante stilistische Entwicklung, der die Komponisten der folgenden Generationen zusteuerten, rasch - aber nur beinah - in Vergessenheit geraten, obwohl sie diese Entwicklungen entscheidend befeuert hat.

Erwähnt wird Machaults Namen aber in vielen Chroniken und Traktaten in der Folgezeit.
Einige Werke werden verstreut über ganz Europa noch mehr als 100 Jahre nach Machaults Tod gesungen und in diversen Anthologien gedruckt; wenn auch meist ohne Angabe des Komponisten-Namens.

So blieb die Wirkungsmacht eines der frühesten Verfassers einer polyphonen Messe und Wegbereiter der französischen Chanson erhalten.

Überlieferte musikalische Werke

40 Balladen
20 Rondeaux
32 Virela- is (bzw. »Chansons balladées«)
23 Motetten
18 Lais
die vierstimmige Messe
eine Doppel- Hoquetus.

Im »Remède de Fortune« sieben »Musterkompositionen«:

Lai, Complainte, Chanson royale, Baladelle, Ballade, Virelai und Rondeau

↑DA CAPO